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Wie der Gärtner, so der Garten
Hebräisches Sprichwort
Als gelernter Gärtner komme ich mit allen möglichen Gärten und Grünanlagen in Berührung. Oft muss ich an den Spruch von Karl Foerster denken, einem bekannten Gärtner: Die meisten Gärten sind Dokumente der Andachtslosigkeit, mit denen das Leben gelebt wird.
Auf der einen Seite der Skala gibt es die Mehrheit der Gärten, die ich eigentlich nicht Garten nennen würde, sondern Totenacker. Dort ist nicht die Zeit und das Wissen vorhanden, um alles was darin lebt unter Kontrolle zu bringen (wie zB in einem alten Barockgarten), deshalb wird das Lebendige möglichst ganz und gar ausgeschlossen („Betongärten“ und die sehr beliebten Schottergärten).
Im Gegensatz, oder besser in Ergänzung dazu die sehr formalen Gärten. In früheren Zeiten waren solche Barockgärten Zeichen der Macht von Fürsten. Dort hat die Pflanzenwelt ausschließlich die Aufgabe dem Willen des Gartenbesitzers zu gehorchen, sie dient zur Machtdemonstration. Und dazu ist jedes Mittel recht. Von Grund auf werden diese sehr aufwendigen Gärten auf einen Zweck hin ausgerichtet, geplant und „gebaut“. Der Ruhm des Besitzers steigt in dem Maße, wie wirkungsvoll er es versteht alles Lebendige unter seine Kontrolle zu bringen. Der Busch und die Hecke sind dort immer wie mit Nagelschere, Lineal, Zirkel und Pinzette in eine perfekt geometrische Form gezwungen.
Und dann gibt es da noch die „Öko-Gärten„. Diese scheinen oft damit zu kämpfen, dass sie zwar Gärten sind, also etwas was vom Menschen definiert, gestaltet und gepflegt wird, aber irgendwie habe ich in vielen dieser Gärten immer wieder den Eindruck, dass der Mensch selber darin geduldet ist aber keineswegs notwendig. Ein Buchtitel aus dem Bereich Naturgärten lautet zB: Der antiautoritäre Garten: Gärten, die sich selbst gestalten. Ich würde solche Typen von Gärten eher private Naturschutzgebiete nennen, denn wenn sie einem Zweck dienen, dann dem „die Natur sich selbst zu überlassen“. Vielleicht als Reaktion auf die beiden oben beschriebenen Weltanschauungen wollen sie dem ‚Ungestörten‘ Raum geben. Diese Gärten scheinen auf eine Grundhaltung zurückzugehen, die davon ausgeht, dass der Mensch im Grunde eine Störung der natürlichen Ordnung ist, nicht „natürlich“ sondern außerhalb der Natur steht. Weshalb es Sinn macht einen vom Menschen ungestörten Raum für „die Natur“ zu erhalten oder zu erschaffen. Es entsteht somit die „natürliche Welt“ und die menschliche Welt und „die Natur kann auch prima ohne uns Menschen auskommen“.
Aber ist es wirklich so, dass alles was „Natur zerstört“, automatisch „unnatürlich“ ist? Sogar die Sprache kennt einen Unterschied zwischen einem „natürlichen Tod“ und einem „nicht natürlichen Tod“.
Aber kann es überhaupt etwas geben was nicht natürlich ist?
Und gibt es in der „Natur“ nicht ganz erhebliche zerstörerische Kräfte? Laut Wikipedia wird „Natur“ definiert als von lat. natus stammend „entstehen, geboren werden“ und bezeichnet das „was nicht vom Menschen geschaffen wurde“. Aber kurz darauf wird, im selben Text, als einer der „wichtigsten Bedeutungen des Naturbegriffs das Sein im Ganzen, der Kosmos“ genannt. Und im Universum (und damit in der Natur) spielen destruktive Energien allerdings eine ganz wesentliche Rolle.
Immer wieder wird das Dilemma deutlich, dass Menschen sich im Grunde getrennt von Natur zu erleben scheinen. Dieses Erleben scheint vollkommen real, ja selbstverständlich zu sein. Es zu relativieren wird oft als völlig abwegig gesehen und in der Regel wird überhaupt nicht verstanden, was gemeint sein könnte.
Zurück zur Gartenkunst: Es gibt noch weitere Arten von Gärten, nämlich jene die mit der scheinbaren Grenze zwischen Mensch und Natur spielerisch, ja neugierig umgehen. Dort ist der Einfluss und das Wirken des Menschen weder versteckt noch wirklich unterscheidbar von Gewachsenem. Wie in einem Bild das vollkommen spontan und ungezwungen entstanden ist, wirken solche Gärten oder Gartendetails komplex und zugleich total einfach; aufwendig geplant und doch wie in einem einzigen kurzen Moment entstanden. Große schroffe Felsen wie zufällige Tintenkleckse in die Landschaft getupft und aus einem angedeuteten Ozean, wie eine Insel herausragend. Das Ganze vor einer streng begrenzenden aber verwitterten Mauer, die abzutrennen scheint von dem wild wachsenden Hintergrund, welcher ein wenig über die Mauer wächst. Diese Trennung könnte aber auch ein Rahmen sein: hervorhebend, betonend und vor allem lässt sie Raum.
… für Unerwartetes, Unstrukturiertes das aus dem menschlichen Geist/ dem Bewusstsein entsprungen ist: die absichtsvolle Absichtslosigkeit.
„Unsere“ Schottergärten lassen diesen Raum nicht: Sie wollen das Natürliche gerade ausschließen, denn dort geht es um die Vorstellung von Leben.
In den Gärten um die es mir hier geht (darunter etliche zen-buddhistische Gärten) wird aber mit der Vorstellung gespielt, welche wir von Lebendigem haben: Wir spüren uns als von der Natur getrennte Wesen aber erleben immer wieder wie sich die scheinbaren Grenzen als undeutlich erweisen.
Die Wildheit und Unkontrollierbarkeit der Fauna und Flora, wird bewusst „eingeladen“, ihr wird Raum gegeben durch die Mauer nicht trotz der Mauer. Die Absicht der Gestaltung wird nicht klar und könnte auch die gleiche „Absicht“ sein, mit der ein Berg in der Landschaft steht.
Der bewusste Verstand liefert den funktionalen Rahmen, in Form von Planung und Überlegung. In diesem kann sich „der Himmel„, das heißt das Gewachsene, was nicht erdachten Maßstäben und Motiven unterliegt, manifestieren. Ähnlich einer Leinwand auf der eine Malerin spontan ‚ihrem‘ Gestaltungs- und Ausdrucksdrang Raum geben kann.
Das Wirken des Menschen wird zwar deutlich, weil er ja den Garten angelegt hat, aber als Zufall und organisches, natürliches Geschehen: Es lassen sich Details erkennen, von denen wir nicht sagen können, ob sie schon immer an Ort und Stelle waren und somit „natürlich“ entstanden oder ob menschliches Wirken beteiligt war. Der Unterschied oder besser die Grenze zwischen Mensch und Natur wird/wirkt undeutlich und irgendwie willkürlich: Menschliches Tun (und Lassen) ist nichts anderes als ein Teil des Natürlichen, des Absichtslosen, des Seins an sich.
Schon der Anblick des Fotos eines solchen Gartens (ich war noch nie leibhaftig in einem), lässt in mir Gelassenheit zurück. Jedes Mal, wenn ich solche Gärten sehe, ist es wie eine Erinnerung daran, dass ich nie etwas tue oder gelassen habe, was nicht Natur ist. Alles ist immer natürlich, selbst das Gefühl, dass es nicht natürlich sei.
Wie sollte es anders sein?
Von Schopenhauer soll der Satz stammen: „Der Mensch kann zwar tun was er will, aber nicht wollen was er will“: Ich weiß nicht mal was ich als nächstes denken oder fühlen werde.
Woher kommen Gedanken und Gefühle? Aus mir? Aus dem Nichts, dem Unbewussten?
Ist das Ich dann nicht auch Nichts? Mache ich mir wirklich Gedanken? Oder werde ich von meinen Gedanken (und Gefühlen) gemacht?
Gibt es überhaupt so etwas wie ein getrenntes „Ich“ wirklich?
Ja! Kommt es automatisch als Antwort, ‚Ich fühle mich doch! Ich erfahre mich doch!‘
Aber ist Erfahrung alles? Ohne Erfahrung bin ich nicht…….. genau! Aber muss der Körper dafür gestorben sein (oder im Tiefschlaf liegen)?