Vielfalt – bedrohlich oder bedroht?

oder: Wenn der Kunde an das Produkt angepasst wird

Das Vielfältige, das Wachsende ist für die Einen ein kreatives Chaos aus dem immer wieder etwas Neues entsteht, wobei Stagnation durch Festhalten an Altem und Unzeitgemäßem, gelöst wird. Das ist es was ich Lebendigkeit nenne.

Unterschiedlichkeit ist dabei eine Stärke, denn wie in einem Organismus hat jeder Teil (zB ein Organ) eine andere Fähigkeit und alle bilden nicht trotz ihrer Eigenart ein Ganzes, sondern gerade erst durch ihre Eigenart!

Pflanzendrucke, Ulrike Kösterke

Für andere Menschen scheint Gewachsenes allerdings eher eine Bedrohung zu sein: Sie fürchten vor allem seine Unkontrollierbarkeit oder besser: den Verlust der persönlichen Kontrolle. Sie würden es gutheißen das Leben selber zu entwerfen, ja erschaffen zu können. Da das aber, meines Wissens, bisher nicht wirklich geklappt hat, scheint man wenigstens möglichst viel kontrollieren und regeln zu wollen und dazu müssen „Auswüchse“ rechtzeitig zurückgeschnitten werden.

Monokultur bedeutet in der Regel vor allem Kontrolle, ist aber eben auch ein effizientes Werkzeug zur großflächigen Verwertung, um mit geringstem Aufwand größtmögliche Effizienz und damit Ertrag zu erzielen. Also ein Mittel zur maximalen Ausbeute. Das Produkt wird dabei dem Produktionsprozess angepasst und verliert dadurch an Qualität zugunsten der Quantität. Masse statt Klasse.

Diese Vorstellung breitet sich immer weiter aus: Ob als Meinungsmache und Meinungsgleichschaltung und vor allem selektiver Filterblasen in Kultur, in der Politik, als immer blasser werdende Unterscheidbarkeit von politischen Strömungen, ob als Förderung, Anerkennung und Deutungshohheit nur konformer Forschung und „Experten“ in der Wissenschaft, ob als Machtkonzentration unter anderem durch technische Möglichkeiten ungeahnten Ausmaßes bei einigen wenigen Big Playern in der Wirtschaft oder als Monokultur in der Landwirtschaft. Und im sozio-kulturellen Zusammenhang ist es die Globalisierung welche meist Zentralisierung, Reduzierung, Simplifizierung bedeutet. Auch viele kollektive Bewegungen von Gender-Debatten bis Political Correctness stellen sich mir als eine solche Aufhebung von Unterschieden dar (siehe unten der Videobeitrag von Christian Heller). Das Gros solcher Bewegungen entstehen weniger aus der Einsicht oder aus dem Empfinden von Individuen, sondern sind vielmehr eine kollektive Strömung, vielleicht ein Trend bis hin zu einem Kult. Sich dem zu entziehen wird als unmoralisch abgekanzelt. Dem Einzelnen wird es erschwert zu einem eigenen Standpunkt zu kommen, denn die Freiheit unmoralisch zu sein, gibt es eben nur zu einem hohen gesellschaftlichen Preis. Es wird gewertet nach dem Motto: Bist du nicht für mich, dann bist du gegen mich! Zwischentöne gibt es nicht, denn die Moral beansprucht nichts weniger als Unanfechtbarkeit: Niemand kann sich ungestraft zB gegen Geschlechtergerechtigkeit auflehnen. Dass es sich um bloße Zeichen handelt, ist nicht so wichtig wie „dabei zu sein“. Die Unterschiede werden auf das Digitale 1 und 0 eingestampft: entweder – oder! Ein Sowohl-Als-Auch hat in der Agenda keinen Platz, weil der moralische Anspruch suggeriert, dass es sich nicht um eine Meinung handelt sondern vielmehr um eine Wahrheit – alternativlos! Somit wird erreicht, dass es inhaltlich nur noch dann zu einem Austausch kommt, wenn die Kontrahenten zumindest den Code of conduct beachten und damit wird grundlegende Kritik am Bestehenden unterdrückt.

Bilder: Kunstprojekt exactitudes

In der Informationstechnik (IT), der entscheidenden Schnittstelle unser Zeit, als die Grundlage fast unserer gesamten Kommunikation und elektronischen Datenverarbeitung, zeigt sich der Druck nach Vereinheitlichung, Regelung, Simplifizierung, Überwachung und Kontrolle ebenfalls und besonders anschaulich: Auch und gerade in dieser digital-virtuellen „Landschaft“ wird einer Monokultur der Weg bereitet, welche die „Artenvielfalt“ offener Software die die Freiheit von Computernutzern in den Mittelpunkt stellt, immer stärker zu verdrängen versucht.

Die Rede ist von der Vorherrschaft der drei rein kommerziellen Betriebssysteme Windows®, Apple® (Mac und iOS) sowie Android® im Kontrast zum communitybasierten GNU/Linux. Es gibt auch noch weitere interessante, freie Betriebssysteme wie z.B. FreeBSD, die von einer etwas kleineren Fangemeinde genutzt und gepflegt werden.

Nicht quelloffene/ proprietäre Software

Hier ein Überblick der Marktanteile besagter Betriebssysteme im Desktop-Bereich (also auf „Private Computer“= PCs):

https://venturebeat.com/2019/09/01/net-applications-windows-10-windows-7-market-share/

Rechts daneben kann man die 5 Windows-Varianten sehen, welche fast 90% der weltweiten (!) Software-Kultur ausmachen. Der Mac-Anteil ist dagegen sehr klein mit seinen gerade mal knapp 10% Marktanteil. Linux aber ist in diesem Bereich lediglich mit 1,7% Marktanteil dabei!

Proprietäre Software ist in dieser volltechnisierten Zeit das Mittel, Menschen als Kunden zu binden, ganze Institutionen und Regierungsverwaltungen abhängig zu machen und sie fliegt dabei in der Regel unter dem Radar des öffentlichen Bewusstseins hindurch, weil deren Funktionen (Restriktionen) oft nicht als ein Problem angesehen werden, sondern im Gegenteil: als „Potentiale“.

Das geschieht weil beim Eroberungsfeldzug der kommerziellen Software in folgenden, typisch kapitalistischen Schritten vorgegangen wird: Zunächst wird natürlich das angeboten was nachgefragt wird, um Kunden zu gewinnen, konkurrierende Software oder deren Ideen werden möglichst übernommen. In der Außendarstellung (PR, Werbung) wird dabei das Produkt nicht nur als einzigartig sondern auch als „alternativlos“ dargestellt. Dabei geht es darum die Kunden/ User an die Funktionen des Betriebssystem/ die Software so zu gewöhnen, dass sie sich kaum noch etwas anderes vorstellen können. Das Ziel der kompletten Bindung des Kunden ist dann erreicht, wenn dieser die Probleme oder Mängel, die mit dem Betriebssystem oder der Software hat, nicht mehr im „Außen“ zu beheben sucht, sondern nur noch im eigenen „Windows-Universum“ oder „Mac-Universum“ zu suchen imstande ist. Das geschieht durch technische Inkompatibilität und am effizientesten dadurch, dass die Anwender sich nicht nur identifizieren mit ihrem Betriebssystem, sondern die Funktionen als Potential dessen was alles (un)möglich ist begreifen: Die Nachfrage wird künstlich erschaffen und der Kreislauf schließt sich.

Dass manche Möglichkeiten andere Möglichkeiten ausschließen und Benutzer dadurch gezwungen sind, bestimmte Wege zu gehen und andere aufzugeben und diese später zu vergessen, kommt dabei kaum noch zu Bewusstsein. Das heißt aber, dass ein paar wenige privatwirtschaftliche Firmen technische Fundamente geschaffen haben, auf denen beinahe das gesamte digitale Leben weltweit abläuft, mit dem Vorsatz Gewinn daraus zu schlagen, natürlich vorrangig für den Konzern selbst. Das dieses Ziel mit zunehmenden Größe des Konzerns immer einfacher wird ist wohl hinlänglich bekannt (Monopole etc.).

Das alleine sehe ich noch nicht mal als das Hauptproblem, sondern eher, dass die Kunden/ User selber in dieser Lenkung zugunsten von privaten wirtschaftlichen Interessen keinen Nachteil sehen, sondern sich sogar dafür begeistern, dass diese Betriebssysteme und Programme die Probleme lösen, welche sie überhaupt selber erst hervorgerufen haben, zB. dadurch dass sie bestimmte Standards setzen.

Kurzum die User lassen sich in einem virtuellen goldenen Käfig einsperren und sind dabei oft sogar begeistert, dass sie soviel Platz in diesem Käfig haben! So sind beide Seiten daran beteiligt unsere digitalen Landschaften und somit auch die Abbildung unserer geistigen Welt zu veröden. Big Business verbraucht dabei natürlich ungleich mehr an unser aller unwiederbringlichen Ressourcen und ist darüber hinaus nicht demokratisch legitimiert, sondern lockt mit dem instinktiven Begehren vieler Menschen nach „einfachen Lösungen“ für Probleme, die das Big Business überhaupt erst erfunden und definiert hat um dann genau dafür das Heilmittel anzubieten. Ähnlichkeiten mit einer sogenannten Pandemie sind rein zufällig…..

Wir User wollen es in vielen Fällen allerdings auch gar nicht anders: Zum Beispiel wenn wir möglichst viele Entscheidungen der Software (also den Entwicklern und ihren Konzernen) überlassen, wenn also unser Dazutun, unser Eingreifen auf ein Minimum reduziert werden soll („plug and play“). Wogegen auch nichts einzuwenden ist, wenn man sich des „Preises“ bewusst ist, den man dafür bezahlt: Abgabe von Verantwortung und Entscheidungsfreiheit

Ich fühle mich an die Rolle des Cipher im Film Matrix erinnert, welcher ganz bewusst zurück in die Illusion der Matrix möchte, um wieder ein einfaches, weil konfliktärmeres Leben zu führen und dabei vergessen muss, dass es eine Illusion ist.

Andererseits werden wir auch oft direkt und indirekt dazu gedrängt kommerziell-proprietäre Betriebssysteme und alternativlose Anwendungen zu verwenden, wenn beispielsweise Software und Hardware benutzt werden, die nur für proprietäre/ kommerzielle Betriebssysteme entwickelt werden.

Um die monopolistischen und verarmenden Konsequenzen der Vormachtstellung von Softwaremonopolen zu veranschaulichen empfehle ich wärmstens die folgende Reportage:

[lyte id=’_ZaDuinGf2o‘ /]

Frei wie in Freiheit, nicht wie in Freibier!

Freie und quelloffene Software

Mindestens im Server-Bereich sieht die Sache übrigens schon lange ganz anders aus:

https://w3techs.com/technologies/overview/operating_system

Zur Erklärung: Unix ist wiederum die Betriebssystem-Grundlage von Linux (ursprünglich auch die von iOS/Apple und Android). Im Server-Bereich dominieren also Linux und linuxverwandte Betriebssysteme weit vor Windows. Warum das so ist, liegt wohl unter anderem auch an der Transparenz mit der GNU/Linux im Bereich IT-Sicherheit punktet, welche außerhalb des privaten PC- und IT-Bereichs scheinbar um ein Vielfaches wichtiger zu sein scheint als im öffentlichen Bereich. Und GNU/ Linux scheint da eher den Sicherheitsbedürfnissen der Profis zu entsprechen als eine Software, die sich nicht „in die Karten“ schauen lässt.

Hier ein paar Eckdaten über GNU/Linux (Stand 2019):

– Linux wurde am 17. September 1991 gestartet und ist heute 29 Jahre alt.
– Linux ist das Betriebssystem von 1,7% aller Desktop-Betriebssysteme weltweit (in Indien 3,97%)
– Im Jahr 2018 lief Linux auf 100% der 500 Supercomputer der Welt.
– 95% der Server, auf denen die weltweit besten 1 Million Domains ausgeführt werden, werden mit Linux betrieben.
– Im Jahr 2018 dominierte Android mit 75,16% den Markt für mobile Betriebssysteme, das heißt 85% aller Smartphones basieren auf Android/ UNIX, der gemeinsamen Basis auch von iOS und Linux.
https://hostingtribunal.com/blog/linux-statistics/

Tux, das offizielle Maskottchen des freien Linux-Kernels

Besonders beeindruckend an Linux ist seine schier unüberschaubare Vielfalt. Hier im Stammbaum der einzelnen Linux-Varianten (den „Distributionen“) zu sehen (Stand 2019) – man denke an die 5 Varianten von Windows!:

By Andreas Lundqvist (initially), Muhammad Herdiansyah (continued), Fabio Loli (continued) – http://futurist.se/gldt/ (initially), https://github.com/konimex/linuxtimeline (continued), https://github.com/FabioLolix/LinuxTimeline (continued), GFDL 1.3, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2556373

GNU/Linux

Ohne in die technischen Details gehen zu wollen, ist das Hervorstechende, dass Linux freie und quelloffene Software ist. Dabei geht es aber nicht nur um einen technischen Unterschied zu proprietärer Software, sondern um eine ganz andere Weltanschauung: GNU/Linux ist aus dem Gedanken entsprungen die Freiheit des Users in den Mittelpunkt zu stellen!

Es gibt auch „freie“ Software im Windows und Mac-Bereich. Dabei handelt es sich aber eben nicht um ganze Betriebssysteme, sondern um einzelne Anwendungen, wovon einige auch quelloffen sind und nicht vorrangig auf einem Vorteilsgedanken zugunsten des Herstellers beruhen. Da sie aber auf unfreien Betriebssystemen, eben Windows, iOS und Android laufen geht diese Art von Software zwar in die ‚richtige‘ Richtung, allerdings in einem Zug der in die ‚falsche‘ Richtung fährt.

Linux als Betriebssystem gilt als ausgesprochen sicher. Zitat: „Obwohl über 90 Prozent aller Viren und Trojaner für Windowssysteme entwickelt werden, ist dies nicht der einzige Grund, weshalb Linux so sicher ist. Bei Windows kann man versehentlich oder absichtlich sämtliche Systemdateien verändern und sogar löschen, so dass das Betriebssystem unbrauchbar wird. Bei Linux ist jedoch dank einer intelligenten Rechteverwaltung das Löschen oder die Manipulation von wichtigen Dateien nicht gestattet. Bei jedem Versuch, grundlegende Änderungen am System vorzunehmen, muss man bei einem Linux-System ein Administrator-Kennwort (genauer: root) eingeben, so dass stets ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet wird.“

Vieles aus der „quelloffenen“ Softwarewelt kommt weniger glanzvoll daher und oft weniger aalglatt aufeinander abgestimmt wie z.B. aus der Apple-Welt. Aber dort zahlt man auch direkt und indirekt einen sehr hohen Preis für den Hochglanzeffekt und die „Hochleistungsshow mit Verfallsdatum“, sowohl in Euros/ Dollars bei Softwareerwerbung und -updates als auch mit Abhängigkeit von einer eingeschränkten Hardwareauswahl oder limitierter Qualität.

Dass das Prinzip der GNU/freien Software den rein kommerziellen Softwaregiganten in seiner Unkontrollierbarkeit und Dezentralität ein Dorn im Auge ist, versteht sich natürlich von selbst und wird im folgenden Beitrag (etwas sperrig ;)) veranschaulicht. Spannend sind die geschilderten Parallelen mit aktuellen Entwicklungen im Bereich der Cancel Culture, verglichen mit dem Umgang des Mainstreams mit Corona-Maßnahmenkritikern, die auch vor hochrangigen Experten nicht Halt macht. Die Vorgehensweise ist in beiden Fällen immer dieselbe: man setzt sich nicht mit Inhalten auseinander sondern sucht die Personen zu diskreditieren mit fachfremden Themen:

Hier auch der Text dieses Beitrages: https://www.rubikon.news/artikel/tugend-terror-im-netz
Vielfalt bedeutet sowohl Freiheit als auf langer Sicht auch Sicherheit

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