In-formation

Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.

André Gide zitiert von Peter Frey

Der Duden schreibt zu den Bedeutungen von ‚Information‚:

  • das Informieren; Unterrichtung über eine bestimmte Sache
  • [auf Anfrage erteilte] über alles Wissenswerte in Kenntnis setzende, offizielle, detaillierte Mitteilung über jemanden, etwas
  • Äußerung oder Hinweis, mit dem jemand von einer [wichtigen, politischen] Sache in Kenntnis gesetzt wird

Information ist meines Wissens nur noch im Sinne von ‚Kenntnis vermitteln‘ im Gebrauch. Aber eine seiner ursprünglichen Bedeutungen scheint heute fast ganz in Vergessenheit geraten zu sein und das ist die formende und prägende Wirkung, welche selbst die neutralste Information auf einen Empfänger hat.

Denn ein Blick auf die Herkunft (die Etymologie) des Wortes Information, lässt dieses in einem etwas anderen Licht erscheinen. Dort wird zu dem Ursprung aus dem Lateinischen gesagt: Der Begriff Information stammt …

…aus lat. īnformāre in seiner übertragenen Bedeutung ‘durch Unterweisung bilden, befähigen, unterrichten’ entlehnt (eigentlich ‘gestalten, formen, bilden’). …

Und so wird auf einmal aus dem bloßen ‚in Kenntnis setzen‘ zusätzlich ein ‚in Form bringen‚.

Information entpuppt sich als nicht neutral, sondern sie formt, sie greift ins Geschehen ein, sie erzieht. Also haben wir zwei Bedeutungen: die reine Mitteilung und das In-Form-bringen. Das scheinbar neutrale „In-Kenntnis-setzen“ scheint somit gar nicht (mehr) so rein zu sein, wie es der Begriff in der Regel suggeriert.

Sofort fallen mir die zwei einflussreichsten, gesellschaftlichen Bereiche ein, die ausdrücklich für sich in Anspruch nehmen, möglichst reine Informationen liefern zu wollen: Die Wissenschaft und die Medien (von lat. medius ‚in der Mitte, dazwischen; von der Mitte‘)

Zur Wissenschaft findet sich in der Wikipedia:

Wissenschaft bezeichnet … ein zusammenhängendes System von Aussagen, Theorien und Verfahrensweisen, das strengen Prüfungen der Geltung unterzogen wurde und mit dem Anspruch objektiver, überpersönlicher Gültigkeit verbunden ist.“

Ich möchte ausdrücklich nicht die Forschung und seine Akteure als Ganzes in Zweifel ziehen. Und ich glaube, dass viele nutzbringende Entdeckungen und bahnbrechende Erfindungen gemacht werden konnten und können, durch Modelle von der Wirklichkeit, welche passend, aussagekräftig und wiederholbar, also belastbar sind.

Aber es handelt sich um Modelle und für diesen kurzen Exkurs möchte ich Mario Sedlak zitieren:

„Ein Modell ist eine Vereinfachung der Wirklichkeit. Es dient dazu, Voraussagen über wirkliche Vorgänge zu machen.

Aus Sicht der Wissenschaftstheorie kommt es überhaupt nicht darauf an, ob die Annahmen, auf denen das Modell beruht, plausibel sind. Es zählt prinzipiell nur, ob das Modell zuverlässige Erkenntnisse liefert.

Manche Modelle lassen so viele Einflüsse weg, dass ihre begrenzte Aussagekraft offensichtlich ist. Andere Modelle, vor allem in der Physik, stimmen so genau, dass man im Rahmen der Messgenauigkeit keinerlei Fehler in ihren Voraussagen findet. Dennoch darf man Modellvorstellungen niemals mit der Wirklichkeit gleichsetzen! Schon morgen könnte ein Fehler und ein anderes, noch genaueres Modell gefunden werden. Und zwei Modelle, die in ihren Voraussagen näherungsweise oder sogar exakt übereinstimmen, können völlig anders aufgebaut sein. Bei den Naturgesetzen gibt es dafür zahlreiche Beispiele.

Es ist ein Fehler, anhand von Modellvorstellungen das „Wesen“ der Wirklichkeit ergründen zu wollen (wie es viele Philosophen versuchen). Alle Erkenntnisse, die man so gewinnt, sind entweder unüberprüfbar (und somit aus Sicht der Wissenschaft uninteressant) oder erweisen sich als falsch, sobald es neue Modelle gibt.

Über prinzipiell unbeobachtbare Dinge und Vorgänge brauchen wir uns nicht unterhalten. Wir dürfen sie aber in ein Modell einbauen. Es zählt ja nur das Ergebnis, das am Ende herauskommt. Alle Zusatzannahmen, die an den überprüfbaren Voraussagen des Modells nichts ändern, sind jedoch unnötig und können weggelassen werden (Ockhams Rasiermesser).

Es gibt keine absolute Wahrheit. Daher ist im Grunde jede Aussage über die Wirklichkeit nur eine Modellvorstellung.“

Es geht also immer darum, dass ein Modell ein Hilfsmittel, ein Instrument ist, um etwas zu beschreiben und Aussagen darüber machen zu können. Es ist aber eine Vorstellung, wie es die deutsche Sprache so präzise ausdrückt! Etwas was uns zwar ein Bild von der Wirklichkeit vermittelt, aber gleichzeitig nicht die Wahrheit ist. Wir haben es vor die Wirklichkeit gestellt: eine Vor-stellung eben!

Die Forschung ist aber seit langem schon in Bereiche vorgedrungen die wir niemals mit unseren eigenen Sinnen direkt erfahren werden, weswegen wir immer auf sogenannte Experten angewiesen sein werden, die uns das Bild vermitteln, welches sie sich von der Wirklichkeit gemacht haben allerdings auch nur mittelbar durch technische Hilfsmittel wie Messgeräte, Mikroskope, Teleskope etc..

Ähnlich wie Priester sind es diese Fachleute denen wir es überlassen uns ein Bild der Wirklichkeit zu vermitteln. Und immer wird dieses Bild, welches sich die Spezialisten gemacht haben und dann an uns weitergeben, beeinflusst sein vom persönlichen Hintergrund des jeweiligen Menschen, ob dieser es will oder nicht. Als Beispiel denke man nur an völlig unterschiedliche Augenzeugenberichte zu ein und dem selbem Geschehen.

Weder im eigentlichen Erkenntnisprozess noch während der Vermittlung und Mitteilung mit anderen ist es möglich sich von seinen subjektiven Beweggründen zu lösen (wovon die Quantenmechanik meines Wissens ein Lied singen kann). Sicher kann man überpersönliches anstreben, allerdings offenbart dieser Wunsch allein bereits ein dahinterstehendes persönliches Interesse.

Auch hier möchte ich wieder Mario Sedlak zitieren, der es recht kurz auf den Punkt gebracht und gut zusammengestellt hat:

„Die Philosophie vergleicht die Wissenschaft mit einem Fischer, der behauptet: „Was ich mit meinem Netz nicht fangen kann, das existiert nicht!“[1] Diesen Einwand verstehe ich insbesondere als Argument dafür, weiterhin an „was Geistiges“ glauben zu dürfen, obwohl die Wissenschaft beim Menschen keinen „Geist“ finden konnte und auch Gott nirgendwo nachweisen konnte.

Annahmen

Ein Grund, warum die Wissenschaft nicht die „ganze“ Wirklichkeit entdecken könne, seien ihre „Annahmen“, welche die Philosophie für mehr oder weniger willkürlich hält:

Ausgangspunkte jeglicher (natur-)wissenschaftlichen Analyse sind letztlich Grundannahmen, die durch Intuition erlangt oder vom soziokulturellen Umfeld vorgegeben werden und im weiteren Verlauf der Theoriegestaltung nicht hinterfragt werden.[2]

Aus Sicht der Philosophie basteln die Wissenschaftler an ihren Modellen herum, aber verstehen nichts: Sie wissen weder, was Materie ist noch wie man Zeit, Raum, Kraft usw. exakt definieren kann.[3] Sie definieren nur Einheiten und Vorschriften, wie die Größen gemessen werden müssen. Manche Philosophen sehen darin z.B. die Ursache, warum der Übergang zur Relativitätstheorie und Quantentheorie so einen „Schock“ ausgelöst hat.[4]

Auch jedes einzelne wissenschaftliche Ergebnis ist angreifbar:

Goethes Vorwurf, Newton habe mit seinen Prismenversuchen eine in Wirklichkeit zusammengesetzte, spektrale Natur des natürlich weiß erscheinenden Lichts deshalb nicht bewiesen, weil er dieses Licht eben durch seine Prismen erst in die Spektralfarben künstlich verwandelt habe, ist auch heute noch erkenntnistheoretisch nicht zu widerlegen.[5]

Und natürlich kann man die ganzen „Apparate“ kritisieren:

Meist beobachten wir die Natur nicht mehr direkt, sondern verwenden dazu immer kompliziertere Geräte. Sie wirken wie überlange Stöcke, die uns erlauben, weiter vorzufühlen, Entfernteres zu berühren, stärker auszuholen, die andererseits aber, gerade wegen ihrer großen Länge, sich zwischen uns und die Natur schieben und bewirken, dass uns der unmittelbare, tastende Kontakt, das "Fingerspitzengefühl" für die Erfassung der Wirklichkeit im Ganzen verloren geht. ...

In dieser uns überfordernden Situation erscheint uns die Wirklichkeit auf die Existenz und Wirkung der vielen Werkzeuge und technischen Hilfsmittel reduziert ... Diese Teilwelt verstellt uns den Blick auf die eigentliche Wirklichkeit und isoliert uns von ihr.[6]"

Spätestens durch ihre Abhängigkeit von Anerkennung, Förderung und Anwendung durch die Öffentlichkeit, Politik oder Wirtschaft „verliert“ die Wissenschaft faktisch und letztlich auch die letzte Objektivität.

Zitat aus einer Buchbesprechung: wenn „es keine objektive Wahrheit und keine objektiven Beweise gibt, gibt es auch keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Glaube und Wissenschaft. Beides sind Theorien zur Erklärung von Entscheidungen, die sich im Leben als vorteilhaft erwiesen haben. Welche Theorie angewendet wird, hängt ab vom Wissen des Individuums und unterliegt allein seiner Verantwortung. … Aufgrund von Glaubenswahrheiten konstruiert die Wissenschaft ein Bild von der Welt, das sie für objektiv wahr hält.“ Anzumerken wäre, dass es natürlich auch ein Glaube ist, dass es keine objektive Realität gibt.

Fazit: Wissenschaft kann ’nur‘ Vorschläge liefern, wie sich Wirklichkeit darstellt. Sie mag auf Objektivität abzielen, vermittelt aber immer nur BILDER, KEINE WAHRHEITEN. Viele Forscher drücken das auch klar aus. Es sind eher wir, als die Empfänger deren Botschaften, die daraus eine „Wahrheit“ machen wollen! Vor allem wenn wir etwas suchen, woran wir uns halten und orientieren können.

Bei tiefergehendem Interesse erschließen sich zahlreiche Anregungen bei einer Internetrecherche, allein schon mit solchen Stichworten wie ‚Wissenschaft ist nicht objektiv‚.

Ein Gedanke zu „In-formation“

  1. Es gefällt mir gut, wie Du dem Wesen der Wissenschaftlichkeit aus philosophischer Perspektive auf den Grund gehst! Mein Gefühl schön „wissenschaftlich“ erforscht und in Worte gefasst hast.
    Vielleicht hast Du ja irgendwann noch einmal den Grip, Dich mit gleicher Eindringlichkeit (bei der Du selbst und Deine Meinung aber angenehm im Hintergrund zu bleiben scheint) dem Begriff und der Wirkung der Medien zuzuwenden.
    Vielschichtig, muss ich morgen noch einmal lesen! Danke!

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